Friedrich Rückert
Wohnhaus von Rückerts Eltern in Ebern
Der Zeitgenosse Johann Wolfgang Goethes, Napoleons und Georg Wilhelm Friedrich Hegels, der Brüder Schlegel und des Novalis, aber auch Georg Büchners, Heinrich Heines, des Fürsten Metternich und des allerorten aufkeimenden Liberalismus war bei dem breiten Publikum beliebt und gehörte zu den meistgelesenen Dichtern seiner Zeit. "Hühnenhaft mit mächtigem Haupt voll langer, weißgrauer Haare wandelte er durch das Rosenbeet des Familiengutes, an einem seiner 10.000 Gedichte und Verse sinnend", beschreibt ihn Felix Dahn, einer der Hauptvertreter des historischen Romans, in späteren Jahren. Sein Biograph Beyer stellte fest: "Was er schriftlich ausarbeitete, musste auch schön und gleichmäßig auf dem Papier stehen".
Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen und ging den üblichen Weg, um seine Lage zu verbessern: Er studierte von 1805 bis 1808 die Rechte und Philologie in Würzburg und Heidelberg. Der leidenschaftliche Parteigänger der antinapoleonischen Entente versuchte 1809 vergeblich, in das österreichische Heer aufgenommen zu werden; er wurde wegen seiner gesundheitlichen Anfälligkeit gar nicht erst gemustert. So habilitierte er sich zunächst einmal in Jena, einem der Zentren der deutschen Romantik und hielt dort als Privatdozent Vorlesungen über orientalische und griechische Mythologie. Von 1812 bis 1814 lebte er als Gymnasiallehrer und Privatgelehrter in Hanau, Würzburg und Bettenburg. Als er 1814 erneut nicht am Krieg gegen Napoleon teilnehmen durfte, schickte er dem geschlagenen, flüchtenden Kaiser der Franzosen 47 Geharnischte Sonette (in Deutsche Glimpf- und Schimpflieder, 1814) hinterher: "Kann denn kein Lied / krachen mit Macht / so laut wie die Schlacht / hat gekracht in Leipzigs Gebiet?". Mit diesen Sonetten wurde R. als unüberhörbarer politischer Lyriker der Befreiungskriege bekannt.
Nach dem Wiener Kongress von der restaurativen Neuordnung Europas enttäuscht, übernahm er 1815 in Stuttgart die redaktionelle Leitung von Johann Friedrich Cottas Morgenblatt für gebildete Stände und von 1822 bis 1825 die des Frauentaschenbuchs, in dem er nur noch am Rande zu Zeitfragen Stellung nahm, dies im Sinne des gemäßigt liberalen Patriotismus.
Von 1820 bis 1826 lebte Rückert vornehmlich in Ebern und Coburg. In dieser Zeit beschäftigte er sich unter anderem mit Teilübersetzungen des Koran sowie der Übersetzung der Hamasa des Abu Tamman. 1821 heiratete er Luise Wiethaus-Fischer, mit der er zehn Kinder hatte.
Unter dem Eindruck des Todes seiner Kinder Luise und Ernst in den Jahren 1833 und 1834 verfasste Friedrich Rückert 428 Gedichte, die unter dem Namen "Kindertotenlieder" nicht zuletzt durch die Vertonung Gustav Mahlers berühmt wurden. Der Historiker und Schriftsteller "Hans Wollschläger" nannte die Kindertodtenlieder "die größte Totenklage der Weltliteratur".
Seit er im Jahr 1818 in Wien mit dem berühmten Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall zusammengetroffen war, hatten sich seine Interessen entschieden gewandelt. Statt mit politischer Lyrik beschäftigte er sich jetzt mit der arabischen, türkischen und persischen Sprache und Literatur und wurde schließlich nach seinen zahlreich erschienen mustergültigen Übersetzungen aus diesen Literaturen auf Empfehlung Hammer-Purgstalls 1826 zum außerordentlichen Professor für orientalische Sprachen an der Universität Erlangen ernannt.
Insgesamt befasste sich das philologische Genie mit 44 Sprachen in übersetzender, lehrender oder sprachwissenschaftlicher Weise, darunter Afghanisch, Aramäisch, Malaiisch und Sanskrit.
1841 wurde er vom preußischen König Friedrich-Wilhelm IV. nach Berlin berufen. Da er in Berlin nur widerwillig Fuß fasste, verbrachte er schon bald den größten Teil des Jahres auf dem Familiengut in Neuses und zog sich 1848 vollständig dorthin zurück.
Rückerts lyrische Dichtung und die Übertragungen - er schrieb daneben Kinderlieder und Märchen, historische und biblische Versepen - waren von hoher formaler Virtuosität getragen; damit erschien er seinen Zeitgenossen als ebenso einzigartig wie faszinierend. Georg Gottfried Gervinus, liberaler und kämpferischer Literarhistoriker der Zeit, schrieb über Rückert: "Mehr als die Empfindungsstärke wirkt die Kraft in Sinnbildern, im symbolisierenden Scharfsinn und Witz; wie bei einem Walther ist nicht das Lied, sondern der Spruch, das didaktische Gedicht das Preisvollste in Rückerts Werken, denn jeden schwierigsten Gedankeninhalt bändigt er mit leichtem und sicherm Griffe." [...]
In der Literaturgeschichte führt Rückert heute eine Randexistenz, einzig als Lehrer August Platens scheint er von Belang, dessen antikisierender Klassizismus Rückerts Sache allerdings nicht gewesen ist. Vielleicht ließe sich Rückert aber als unzeitgemäßer Nachfahre Johann Gottfried Herders und Goethes rechtfertigen, als verspäteter Aufklärer aus dem Geist des weltliterarischen Kulturvergleichs, der sich aber auch mit bewusster poetischer "Leichtfertigkeit" bemühte, die eklatanten Wiedersprüche seiner Zeit dem Diktat des reinen Reims zu unterwerfen.
Quellen:
- Metzler Autoren Lexikon, Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, hg. von Bernd Lutz, Stuttgart, Weimar: Metzler 1994
- http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_R%C3%BCckert, Zugriffsdatum: 2010-02-20
- http://de.wikipedia.org/wiki/Kindertodtenlieder, Zugriffsdatum: 2010-02-20
- Bildquelle: http://gutenberg.spiegel.de/gutenb_load/autoren/bilder/rueckert.jpg, Zugriffsdatum: 2010-02-20
- Bildquelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5c/Ebern_11.jpg, Zugriffsdatum: 2010-02-20